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Synonyme:Glomerulonephritis
Unter einem akuten nephritischen Syndrom versteht man das Auftreten von bestimmten Symptomen, hervorgerufen durch die Entzündung der Filterstationen der Niere. Das Syndrom umfasst das Auftreten von blutigem Urin, vermindertem Wasserlassen, Wassereinlagerungen im Körper, die in der Fachsprache Ödeme genannt werden, sowie Bluthochdruck. Ein weiteres Symptom, dass sich jedoch nur in der Laboruntersuchung feststellen lässt, ist ein erhöhter Eiweissgehalt im Urin. Nicht alle dieser Symptome müssen vorhanden sein, damit man von einem nephritischen Syndrom sprechen kann. In einigen Fällen treten auch nur eine oder zwei der genannten Krankheitsmerkmale auf.
Die Leistungen der Nieren sind enorm. In 24 Stunden durchströmen rund 1500 Liter Blut die Nieren. Diese haben die Aufgabe, daraus den eigentlichen Urin zu bilden.Die Nieren scheiden pro Tag etwa 1½ Liter Harn aus, der aus dem Blut abfiltriert wird. Das Blut fliesst dabei durch spezielle Minifiltersysteme in der Niere, die man als Nephrone bezeichnet. Sie enthalten verschiedene Strukturen, die zusammen eine Funktionseinheit bilden und Nierenrinde und Nierenmark durchziehen.
Eine gesunde Niere enthält etwa eine Million Nephrone. Hier werden Substanzen aus dem Blut herausgefiltert, die der Körper nicht mehr benötigt, und die in hohen Konzentrationen sogar giftig für den Körper sind. Man bezeichnet sie in der Fachsprache als harnpflichtige Substanzen. Andererseits haben die Filtersysteme die Aufgabe, für den Körper wichtige Substanzen zurückzuhalten. Dazu zählen z.B. Eiweisse und Mineralstoffe. Die abfiltrierte Flüssigkeit ist Urin. Dieser sammelt sich zentral in der Urinsammelstelle, dem so genannten Nierenbecken und fliesst über den Harnleiter in die Blase.
Neben der Harnbildung ist die Niere unter anderem noch für den Wasser- und Elektrolythaushalt zuständig. Elektrolyte sind für den Körper wichtige Salze wie Natrium, Kalium und Kalzium. Die Niere bildet ausserdem Hormone, die auch den Blutdruck regulieren.
Die Ursachen der Krankheitsbilder, die zu einer Entzündung der Nierenfilter führen, sind ganz unterschiedlich. Durch die Schädigung der Filterstationen der Niere kommt es jedoch immer zu denselben krankhaften Veränderungen. Die Filter sind normalerweise dafür verantwortlich, dass bestimmte Stoffe aus dem Blut mit dem Urin ausgeschieden werden können. Das heisst, sie sind sehr wichtig für den Erhalt des Salz- und Wasserhaushaltes sowie für die Entgiftung des Körpers. Die Entzündung schädigt nun die Filterstationen und die Poren des Filters werden grösser.
Blutbestandteile, für welche die Nierenfilter normalerweise nicht durchlässig sind, werden nun mit dem Urin ausgeschieden. Dies führt zu einem Mangel von für den Körper wichtigen Stoffen, wie zum Beispiel Eiweissen. Durch das Fehlen der Eiweisse im Blut kommt es zu einem Ausstrom von Flüssigkeit aus den Blutgefässen in das umliegende Gewebe, was als Wassereinlagerungen oder Ödeme bezeichnet wird. Der verminderte Flüssigkeitsgehalt in den Blutgefässen wiederum führt über die Ausschüttung von bestimmten Hormonen zu einer Erhöhung des Blutdruckes. Dies ist ein Schutzmechanismus des Körpers, der die Durchblutung aller lebenswichtigen Organe sicherstellen soll.
Das auftretende Blut im Urin ist ebenfalls bedingt durch den neu ermöglichten Durchtritt von roten Blutkörperchen durch die geschädigten und vergrösserten Poren der Nierenfilter.
Zu den Krankheitsbildern, die ein akutes nephritisches Syndrom verursachen, gehören die akute postinfektiöse Glomerulonephritis, der Morbus Berger sowie eine schnell fortschreitende Form, rapid progressive Glomerulonephritis genannt.
Akute postinfektiöse Glomerulonephritis: Es kommt zu einer akuten Entzündung der Filterstationen der Niere nach einer Infektion der oberen Atemwege mit bestimmten Bakterien. Typischerweise kommt es zu einer erneuten Krankheitsperiode ca. 2 Wochen nach einer durchgemachten Rachenmandelentzündung (Tonsillitis) oder Scharlach. Ursache der Nierenentzündung ist dabei die krankhafte Ablagerung der gebildeten Immunkomplexe gegen die Bakterien in der Niere. Kinder sind häufiger betroffen als Erwachsene.
Morbus Berger: Ursache der Erkrankung ist in diesem Fall die Ablagerung von Antikörpern, welche vom körpereigenen Immunsystem gebildet wurden, nun mit dem Blut im Körper zirkulieren und sich schliesslich in den Nierenfiltern festsetzen. Die Entstehung der Krankheit ist weitgehend unbekannt. Allerdings kommt es auch hier gehäuft zum Auftreten der Symptome nach einer Infektion der oberen Atemwege.
Rapid progressive Glomerulonephritis: Dieses Kranheitsbild ist definiert durch seinen schnell fortschreitenden Verlauf. Unbehandelt oder bei später Diagnosestellung kommt es unweigerlich zum Auftreten eines Nierenversagens. Man unterteilt diese Form der Nierenentzündung in drei verschiedene Typen mit unterschiedlichen Ursachen und Beschwerden. Alle drei Typen werden jedoch durch eine Fehlreaktion des Immunsystems verursacht, bei der es zu einer gegen Strukturen des eigenen Körpers gerichteten Antikörperproduktion kommt. Diese Antikörper lagern sich schliesslich in der Niere und meist auch in anderen Organen des Körpers sowie in den Blutgefässen ab. In diese Kategorie fallen die Krankheitsbilder Lupus erythematodes, Wegener Granulomatose, Panarteritis nodosa sowie das Goodpasture Syndrom.
Wie erwähnt äussert sich das akute nephritische Syndrom mit verschiedenen Symptomen, die je nach Ausprägung und Art der Erkrankung nicht in allen Fällen gleich sind. Häufig geht dem Auftreten der Nierenbeschwerden eine Infektion der oberen Atemwege mit Husten, Heiserkeit, Schluckbeschwerden oder Rachenmandelentzündung voraus.
Die auffälligsten Symptome, welche auf ein akutes nephritisches Syndrom hinweisen, sind ein seltenes und in der Harnmenge vermindertes Wasserlassen sowie ein aufgedunsenes Gesicht und geschwollene Füsse. Die an einem Tag ausgeschiedene Harnmenge fällt dabei auf weniger als einen halben Liter täglich. Normalerweise wird eine Harnmenge bis maximal 2 Liter pro Tag produziert und ausgeschieden. Durch die überschüssige Flüssigkeit, welche sich im Köper ansammelt, entstehen bei dieser Erkrankung oft eine Schwellung der Augenlider und der Fussgelenke.
Neben diesen offensichtlichen Beschwerden kann im Rahmen einer Urin-Analyse ein vermehrtes Ausscheiden von Eiweissen und ein Blutverlust festgestellt werden. Eine hohe Eiweisskonzentration kann sich dadurch bemerkbar machen, dass der Urin beim Wasserlassen schaumig wird. Je nach Menge der roten Blutkörperchen, die fälschlicherweise durch die Nierenfilter vom Blut in den Urin übertreten, färbt sich der Urin rötlich.
Der ebenfalls häufig bestehende Bluthochdruck bleibt vom Patienten selbst in vielen Fällen unbemerkt. Bei massiver Erhöhung kann es jedoch zu Schwindel, Kopfschmerzen sowie Sehstörungen und einem Beklemmungsgefühl auf der Brust kommen.
Bei der rapid progressiven Glomerulonephritis findet sich nebst der Nierenbeteiligung in den meisten Fällen auch ein Einbezug von anderen Organen des Körpers. Die Beschwerden sind daher sehr vielfältig. Beim Goodpasture-Syndrom zum Beispiel kommt es zu einer Beteiligung der Lunge, was sich in einer Lungenblutung äussert. Beim Lupus erythematodes können sich Hautausschläge im Gesicht, Gelenkschmerzen, Entzündung von Lunge und Herz sowie Störungen des Nervensystems finden.
Die ärztliche Untersuchung beginnt mit einer Befragung über aufgetretene Beschwerden und Grunderkrankungen sowie eventuell vorangegangene Symptome einer Erkältung, einer Rachenmandelentzündung oder den Zeichen eines Scharlachs. Die Messung des Blutdruckes ist sehr wichtig zur Erkennung einer Nierenbeteiligung, vor allem wenn die übrigen Symptome keinen klaren Aufschluss geben.
Mit Hilfe einer Laboruntersuchung des Urins sucht man nach vermehrt angefallenen Eiweissen und roten Blutkörperchen, wobei auch eine vorangegangene Infektion mit Bakterien unter Umständen noch nachgewiesen werden kann. Beim Vorliegen einer rapid progressiven Glomerulonephritis können im Blut auch Antikörper gegen die Niere selbst nachgewiesen werden. In diesem Fall empfiehlt es sich dringend, die Art und das Stadium der Erkrankung durch die Entnahme von Nierengewebe und anschliessender Untersuchung unter dem Mikroskop genauer zu bestimmen.
Die Therapie richtet sich nach der Ursache und dem Stadium der Erkrankung. Ganz allgemein wird versucht, einen erhöhten Blutdruck durch blutdrucksenkende Mittel zu senken. Bei ausgeprägten Ödemen und starkem Bluthochdruck sollte ausserdem auf die Einnahme einer salzarmen Diät geachtet werden.
Bei einer postinfektiösen Glomerulonephritis kann die Nierenerkrankung durch die Gabe von Antibiotika und der Einhaltung einer Bettruhe in vielen Fällen geheilt werden. Die Prognose ist bei Kindern allerdings besser als bei Erwachsenen. Bei letzteren kommt es nur in etwa der Hälfte der Fälle zu einer vollständigen Ausheilung.
Der Morbus Berger wird durch die Verabreichung von Immunsuppressiva und steroidalen Entzündungshemmern therapiert. Bei Immunsuppressiva handelt es sich um Medikamente, welche das körpereigene Immunsystem bremsen und so eine übertriebene Reaktion verhindern können. Die Prognose bei dieser Form des nephritischen Syndroms ist allerdings etwas schlechter als bei der postinfektiösen Glomerulonephritis. In 15-40% der Fälle kommt es zur Ausbildung eines Nierenversagens, ein Krankheitsbild, das nur mit einer Nierentransplantation vollständig therapiert werden kann.
Bei den verschiedenen Typen der rapid progressiven Glomerulonephritis ist die Therapie und die Prognose nicht nur von der Nierenbeteiligung, sondern auch vom Schweregrad der zusätzlich mitbeteiligten Organe abhängig. Allgemein wird auch hier mit der Verabreichung von Immunsuppressiva und Glukokortikoiden versucht, das Immunsytem zu unterdrücken und so die fortschreitende Entzündung und Zerstörung der Nierenfilter aufzuhalten. In einigen Fällen wird versucht, die sich im Blut befindlichen Antikörper durch das Filtern des Blutes aus dem Körper zu bringen. Diese Art der Therapie wird Plasmapherese genannt.
Die Prognose bei den verschiedenen Typen der schnell fortschreitenden Nierenfilterentzündung hängt stark vom Zeitpunkt der Diagnosestellung und dem frühzeitigen Einsetzen der Therapie ab. Bei sehr schnellem Fortschreiten und spätem Entdecken der Erkrankung bleibt als Therapiemöglichkeit oft nur noch die Option einer Nierentransplantation.
Autor/in: | Sibylle Krämer, Ärztin | |
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Editor/in: | Dr. med. Urspeter Knecht, Arzt | |
Keywords: | Glomerulonephritis, akutes nephritisches Syndrom, Nierenentzündung, Nierenerkrankung, Nierenkrankheit, Morbus Berger, akute postinfektiöse Glomerulonephritis, rapid progressive Glomerulonephritis, Ödeme, geschwollene Füsse, geschwollene Fussgelenke, geschwollene Augenlider | |
ICD-10: | N00 | |
Zuletzt geändert: | 05.11.2016 | Zum Seitenanfang |
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